Warteschleife

gedichte

Warteschleife

Manche pflanzen ihre Träume
so wie andre Leute Bäume

Jeder kennt die überspannten
Hauskonzerte vor Verwandten:
alle Herzen schmelzen schier,
spielt ein Kind was am Klavier,
und so erntet holde Gunst,
wer sich rüstet für die Kunst.

Wenn der Günstling dann bemerkt,
wie das Lob sein Ego stärkt,
übt er brav und unerträglich
stundenlang- und das noch täglich,
was im Haus den Frieden stört.

Tonleitern, Etüden, Skalen
sind nicht nur für Finger Qualen-
auch das Ohr ist schnell empört,
wenn es stets dasselbe hört.
Praxis schadet Idealen.

Denn das Kind schult konsequent
nur sein Spiel am Instrument.
Reizen gar Pianotasten
mehr als der Chemiebaukasten,
spaltet tief das Elternlager
der Verdacht auf Schulversager.

Papa findet Kunst nicht nützlich.
Häufig spricht er laut und ernst:
„Jedes Handwerk unterstütz ich,
wo du was Solides lernst.
Folge meinem weisen Plan,
und geh zu der Eisenbahn!”

Mama schützt den Sprössling zwar,
den sie hoffnungsvoll gebar,
doch die Nachbarn tuscheln gar:
„Guckt mal, der von denen da !”
weil sich Spott für den empfiehlt,
der Klavier statt Fußball spielt.

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Nur in kleinen Schulkonzerten
weiß man seine Kunst zu werten.
Erst als dann mit Komplimenten
kompetente Kunstagenten
hieven ihn ins Rampenlicht,
keimt im Vater Zuversicht.

Bald kriegt er die besten Meister,
und zu Wettbewerben reist er,
wo er Preis um Preis gewinnt.

Und weil selbst die Nachbarschaft
ehrfurchtsvoll herübergafft,
scheinen Investitionen
in den Sohn sich doch zu lohnen.
Und man preist das Wunderkind.
– Bis die Pubertät beginnt…

Wo er nicht mal mehr mit Liszt
klassisch zu begeistern ist,
lassen Beethoven und Bach
leider auch an Wirkung nach.
Und weil er nicht mehr so streng
Czerny übt sowie Chopäng,
klingt in schnöder Häufigkeit
öder die Geläufigkeit.

Plötzlich kann ihn nichts beflügeln,
seine Schwächen auszubügeln:
selbst für ein Stipendium
macht er keinen Finger krumm !
Und er pfeift auf alle Quoten,
auf den Drill und auf die Noten…

Kummer weicht nun dem Protest,
daß er sich nicht lenken läßt.
Er genügt, sich selbst zu formen,
keinen bürgerlichen Normen.
Und der einst so Kunstbewährte
spielt nie mehr Klavierkonzerte.

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Nachts ist er für viele Stunden
Pianist in einer Bar.
Schnell hat er herausgefunden,
daß das Üben dienlich war –
jetzt dient es dem Wohl des Knaben,
daß die Musen, die ihn laben,
statt der Ohren Busen haben.
Und ihm geht der Musen Kuß
tiefer als der Töne Fluß.

Oft noch wird’s ihm so ergehen,
daß er flieht, wenn man ihn kürt.
Denn er kann nur Werte schaffen,
die er in sich selber spürt.
Praxis schadet Idealen,
wenn am Ziel der Zweifel nagt,
und er wird die Zeit bezahlen,
die er Jahr um Jahr vertagt.

Mutters Schluß:
Solche die ihn vorschnell richten,
kennen seinen Kern mitnichten.
Die ihn lieben, können warten.
Denn es dauert, bis sich lichten
selt’ner Gaben Eigenarten…

Vaters Schluß:
Das ist Faulheit, gut getarnt:
jeder Schritt ist so geplant,
meisterschaftlich zu erreichen,
allen Zielen auszuweichen.
Na, ich hab’s ja gleich geahnt.

©Armin Fischer

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